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Steuern
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Nacherbe kann Pauschale für Erbfallkosten geltend machen
Hintergrund: Ein Erblasser kann die Reihenfolge der Erben dadurch festlegen, dass er einen Vorerben und einen Nacherben, der beim Tod des Vorerben erbt, einsetzt.
Vom Wert des Nachlasses können steuerlich u.a. die Kosten der Bestattung des Erblassers abgezogen werden (sog. Erbfallkosten). Hierfür wird insgesamt ein Betrag von 10.300 € ohne Nachweis anerkannt.
Sachverhalt: Die Klägerin hatte eine Tante, die im Januar 2013 verstarb. Die Tante hatte als Vorerben ihren Ehemann (Onkel der Klägerin) und als Nacherbin ihre Nichte, die Klägerin, eingesetzt. Im Mai 2013 verstarb der Ehemann der Tante, so dass die Klägerin Nacherbin wurde; zugleich war die Klägerin auch Erbin ihres Onkels, schlug das Erbe jedoch aus. Der Ehemann der Tante hatte erbschaftsteuerlich keine Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht. Die Klägerin machte im Rahmen ihrer Erbschaftsteuererklärung den Pauschbetrag von 10.300 € für Erbfallkosten geltend, den das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Klägerin war Nacherbin und musste damit den Erwerb des Nachlasses vom Vorerben, ihrem Onkel, versteuern. Denn erbschaftsteuerlich gilt die Klägerin als Erbin des Vorerben.
Als Nacherbin kann sie auch Nachlassverbindlichkeiten und damit auch die Erbfallkosten geltend machen. Zwar ist der Pauschbetrag für Erbfallkosten in Höhe von 10.300 € pro Erbfall nur einmal zu gewähren und bei mehreren Miterben auf die einzelnen Miterben aufzuteilen. Vorerbe und Nacherbe sind aber nicht Miterben, sondern getrennt voneinander zu behandelnde Erben, die zeitlich nacheinander erben.
Unbeachtlich ist, dass es bezüglich der Tante als Erblasserin nur einen Todesfall gab. Steuerlich führt dies nicht dazu, dass Vorerbe und Nacherbe die Erbfallkosten nur einmal pauschal geltend machen können.
Für den Abzug des Pauschbetrags in Höhe von 10.300 € ist nicht erforderlich, dass die Klägerin nachweist, dass ihr tatsächlich Erbfallkosten, d.h. Beerdigungskosten, entstanden sind. Der Pauschalabzug ist nach dem Gesetzeswortlaut ohne Nachweis möglich.
Hinweise: Der BFH ändert zugunsten der Steuerpflichtigen seine Rechtsprechung, indem er nun keinen Nachweis mehr fordert, dass dem Grunde nach Erbfallkosten angefallen sind. Bislang hat er einen entsprechenden Nachweis verlangt. Allerdings war dies nicht mit dem Vereinfachungszweck vereinbar, der mit der Gewährung des Pauschbetrags verbunden ist; denn es musste zunächst nachgewiesen werden, dass Kosten entstanden waren, um anschließend einen Pauschbetrag (ohne Nachweis) abziehen zu können.
Steuerlich erbt zunächst der Vorerbe vom Erblasser und anschließend der Nacherbe vom Vorerben; es liegen also zwei Erbfälle vor. Damit weicht das Steuerrecht vom Zivilrecht ab, nach dem Vorerbe und Nacherbe zwar nacheinander, aber beide vom ursprünglichen Erblasser erben.
Quelle: BFH, Urteil v. 1.2.2023 - II R 3/20; NWB
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Keine Steuerermäßigung für Hausnotrufsystem ohne Notfall-Soforthilfe
Hintergrund: Für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen wird eine Steuerermäßigung von 20 % gewährt, maximal aber 4.000 €. Die Ermäßigung wird direkt von der Steuer abgezogen.
Sachverhalt: Die Klägerin war im Streitjahr 85 Jahre alt und zahlte für ein Hausnotrufsystem 288 € im Jahr. Für diesen Betrag erhielt sie das Notrufgerät, das sie im Notfall betätigen konnte; dann kümmerte sich ein Mitarbeiter der Notrufzentrale um Hilfe, indem er die Feuerwehr, den Hausarzt, Nachbarn oder Verwandte informierte. Die Klägerin machte für die Kosten eine zwanzigprozentige Steuerermäßigung geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Eine haushaltsnahe Dienstleistung setzt eine Leistung mit Bezug zur Haushaltsführung voraus, die üblicherweise durch Mitglieder des Haushalts oder entsprechende Beschäftigte erledigt werden und regelmäßig anfallen. Außerdem muss die Leistung im Haushalt erbracht werden.
Zwar stellt das Notrufsystem im Grundsatz eine haushaltsnahe Dienstleistung dar. Denn es handelt sich um eine Rufbereitschaft, die üblicherweise durch Haushaltsmitglieder wie z. B. Angehörige erbracht wird.
Die Dienstleistung ist aber nicht im Haushalt der Klägerin erbracht worden. Denn wesentlicher Inhalt der Dienstleistung ist die Bearbeitung eingehender Alarme und die Verständigung von Helfern wie z.B. dem Hausarzt, Pflegedienst oder von Angehörigen. Die Notrufzentrale schuldete keine unmittelbare Direkthilfe in Gestalt einer Ersten Hilfe im Haushalt der Klägerin.
Hinweise: Der BFH hatte in einem anders gelagerten Fall die Steuerermäßigung gewährt. Dort war das Notrufgerät des Steuerpflichtigen mit einem sog. Piepser verbunden, den die Pfleger im Pflegeheim trugen und bei dessen Betätigung sie zum Steuerpflichtigen in dessen Zimmer eilten, um eine Notfall-Soforthilfe zu leisten.
Quelle: BFH, Urteil v. 15.2.2023 - VI R 7/21; NWB
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Spekulationsgewinn bei trennungsbedingtem Verkauf eines Einfamilienhauses
Hintergrund: Der Gewinn aus dem Verkauf von Immobilien des Privatvermögens stellt einen steuerpflichtigen Spekulationsgewinn dar, wenn der Verkauf innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung der Immobilie erfolgt ist. Nach dem Gesetz werden jedoch selbst genutzte Immobilien von dieser Steuerpflicht grundsätzlich ausgenommen.
Sachverhalt: Der Kläger erwarb 2008 zusammen mit seiner Ehefrau F ein Einfamilienhaus, das sie zusammen mit ihrem gemeinsamen Kind K bewohnten. Im Jahr 2015 zog der Kläger aus, während F und K in dem Haus wohnen blieben. F drohte die Zwangsversteigerung an, falls der Kläger seinen Miteigentumsanteil an dem Haus nicht an sie verkaufen würde. Im Jahr 2017 verkaufte der Kläger seinen Miteigentumsanteil an F mit Gewinn; die Ehe wurde im selben Jahr geschieden. Das Finanzamt erfasste einen steuerpflichtigen Spekulationsgewinn beim Kläger.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Der Kläger hat seinen Miteigentumsanteil an dem Haus innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist mit Gewinn verkauft. Dieser Verkauf ist auch willentlich erfolgt, auch wenn der Kläger eine Zwangsversteigerung vermeiden wollte. Eine wirtschaftliche oder emotionale Zwangssituation ist für die Entstehung eines Spekulationsgewinns ohne Bedeutung.
Der Spekulationsgewinn entfällt auch nicht aufgrund einer Selbstnutzung des Hauses durch den Kläger. Nach dem Gesetz müsste die Selbstnutzung entweder zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung des Hauses oder aber im Jahr der Veräußerung und in den beiden Vorjahren erfolgt sein, damit der Spekulationsgewinn nicht steuerpflichtig ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Der Kläger ist bereits vor der Veräußerung im Jahr 2017 ausgezogen, nämlich im Jahr 2015, und hat das Haus bis zum Verkauf nicht mehr selbstgenutzt. Die Nutzung des Hauses durch sein unterhaltsberechtigtes Kind ist keine Selbstnutzung des Klägers, wenn das Kind zusammen mit seiner Mutter F in dem Haus gewohnt hat. Das Kind gehörte damit nicht mehr zur Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft des Klägers.
Hinweis: Das Urteil zeigt die Problematik einer Trennung, wenn die Spekulationsfrist noch nicht abgelaufen ist. Der Verkauf des Eigentumsanteils ist nämlich steuerpflichtig, wenn der Verkaufspreis höher ist als die Anschaffungskosten. Es empfiehlt sich in steuerlicher Hinsicht, den Verkauf früher durchzuführen, solange der Auszug noch nicht erfolgt ist.
Bei der Übertragung einer Immobilie im Rahmen einer Scheidung entsteht keine Grunderwerbsteuer.
Quelle: BFH, Urteil v. 14.2.2023 - IX R 11/21; NWB
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Ablehnung eines Erlassantrags durch sachlich unzuständige Behörde
Hintergrund: Bei der Zuständigkeit wird zwischen der örtlichen und der sachlichen Zuständigkeit unterschieden. Bei der örtlichen Zuständigkeit geht es um die Frage, welche von mehreren sachlich zuständigen Behörden tätig werden darf, z.B. welches von mehreren Finanzämtern eines Bundeslandes die Einkommensteuer festsetzen darf. Bei der sachlichen Zuständigkeit geht es hingegen um die Frage, für welche Aufgaben eine Behörde überhaupt zuständig ist; so darf z.B. das Finanzministerium keinen Steuerbescheid erlassen.
Sachverhalt: Die Klägerin musste Kindergeld an die Familienkasse in Nordrhein-Westfalen zurückzahlen, weil ihr Kind die Ausbildung vorzeitig beendet hatte. Sie beantragte den Erlass der Rückzahlungsverpflichtung. Hierüber entschied der sog. Inkasso-Service Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit in Recklinghausen, der von der Bundesagentur in Arbeit für das Inkasso und Erlassanträge eingerichtet worden war. Der Inkasso-Service lehnte den Erlassantrag weitgehend ab. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den die Familienkasse in Nordrhein-Westfalen zurückwies. Hiergegen klagte die Klägerin.
Entscheidung: Der BFH gab der Klägerin im Grundsatz Recht und hob den Ablehnungsbescheid des Inkasso-Service auf:
Der Inkasso-Service Familienkasse war für die Entscheidung über den Erlassantrag sachlich unzuständig. Er war nicht die ursprünglich zuständige Behörde, da dies die Familienkasse in Nordrhein-Westfalen war. Die Bundesagentur für Arbeit als Bundesbehörde war nicht berechtigt, die Aufgaben des Erhebungsverfahrens bundesweit bei der Inkasso-Service Familienkasse zu konzentrieren.
Der Fehler bei der sachlichen Zuständigkeit konnte nicht durch die Einspruchsentscheidung der sachlich und örtlich zuständigen Familienkasse in Nordrhein-Westfalen geheilt werden. Denn eine derartige Heilung ist nur bei Fehlern in der örtlichen Zuständigkeit möglich, nicht aber bei Fehlern in der sachlichen Zuständigkeit.
Eine Heilung des Fehlers ist nur in der Weise möglich, dass die sachlich und örtlich zuständige Familienkasse in Nordrhein-Westfalen als Einspruchsbehörde den rechtswidrigen Ablehnungsbescheid der Inkasso-Service Familienkasse aufhebt und nun selbst über den Erlassantrag entscheidet. Lehnt sie den Antrag ab, kann die Klägerin hiergegen Einspruch einlegen.
Hinweise: Der BFH hat bereits in der jüngeren Vergangenheit entschieden, dass die Übertragung der Aufgaben des Erhebungsverfahrens im Kindergeldrecht (Vollstreckung, Erlassanträge, Stundungsanträge) auf den Inkasso-Service Familienkasse rechtswidrig war. Hierfür fehlte nämlich eine gesetzliche Grundlage.
Das aktuelle Urteil zeigt nun auf, wie mit rechtswidrigen Ablehnungsbescheiden umzugehen ist: Sie müssen im Einspruchsverfahren aufgehoben werden, um anschließend eine erneute Entscheidung über den Erlassantrag zu ermöglichen.
Im Streitfall ist der Ablehnungsbescheid durch den BFH, der die Vorinstanz bestätigt hat, aufgehoben worden, so dass die Familienkasse in Nordrhein-Westfalen über den Erlassantrag entscheiden muss.
Quelle: BFH, Urteil v. 19.1.2023 - III R 2/22; NWB
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Teilnahme eines Prüfers der Gemeinde an einer Außenprüfung des Finanzamts
Hintergrund: Nach dem Gesetz sind die Gemeinden berechtigt, an Außenprüfungen der Finanzämter, die die Gewerbe- oder Grundsteuer betreffen, teilzunehmen, wenn die Außenprüfung im Gemeindebezirk erfolgt und der Steuerpflichtige in der Gemeinde eine Betriebsstätte unterhält oder aber Grundbesitz hat.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine im Einzelhandelsbereich tätige GmbH in der Gemeinde X. Sie verkaufte ihre Waren auch an die X. Das Finanzamt ordnete im August 2017 eine Außenprüfung bei der Klägerin an, die u.a. die Gewerbesteuer betraf. In der Anordnung teilte das Finanzamt mit, dass auch der Gemeindeprüfer an der Prüfung teilnehme. Die Klägerin wehrte sich gegen die Prüfungsanordnung mit der Begründung, die Gemeinde könne aufgrund der Teilnahme des Gemeindeprüfers Einblick in ihre Kalkulation erhalten, die ihren Lieferverträgen mit der Gemeinde sowie mit ihren anderen Kunden zugrunde liegt.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt die Prüfungsanordnung für rechtmäßig und wies die Klage ab:
Die Gemeinde hat ein gesetzliches Teilnahmerecht an einer vom Finanzamt angeordneten Außenprüfung, wenn diese die Gewerbe- oder Grundsteuer betrifft. Daher ist eine Prüfungsanordnung rechtmäßig, in der der Gemeinde ein Teilnahmerecht eingeräumt wird.
Allerdings muss der Außenprüfer des Finanzamts aufgrund des Steuergeheimnisses darauf achten, dass der Gemeindeprüfer nur Informationen erlangt, die die Gewerbe- bzw. Grundsteuer betreffen.
Soweit der Steuerpflichtige ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse dahingehend hat, dass die Gemeinde von bestimmten Daten oder Unterlagen nichts erfährt, kann dieses Geheimhaltungsinteresse während der Außenprüfung berücksichtigt werden. So kann der Steuerpflichtige dem Prüfer des Finanzamts konkret mitteilen, welche Unterlagen und Daten dem Gemeindeprüfer nicht offenbart werden sollen. Der Außenprüfer kann dann die Unterlagen und Daten des Steuerpflichtigen in qualitativer Weise auf ihre Vertragssensibilität prüfen und entscheiden, welche Informationen er dem Gemeindeprüfer mitteilt.
Sollte sich der Finanzamtsprüfer für eine Weitergabe der – vom Steuerpflichtigen als geheimhaltungsbedürftig angesehenen – Informationen an den Gemeindeprüfer entscheiden, muss er dies durch einen Verwaltungsakt (Bescheid) entscheiden und diesen begründen. Der Steuerpflichtige kann dann gegen den Bescheid Einspruch einlegen und sich hiergegen auch im einstweiligen Rechtsschutz wehren.
Hinweise: Auch wenn die Klägerin verloren hat, bedeutet dies nicht, dass ihr Geheimhaltungsinteresse irrelevant ist. Die Klägerin muss zwar zunächst die Prüfungsanordnung hinnehmen, kann während der Prüfung aber den Prüfer informieren, welche Unterlagen und Daten sie als geheimhaltungsbedürftig ansieht. Der Prüfer entscheidet dann darüber, ob er diese Unterlagen und Daten der Gemeinde offenbart oder nicht. Falls er die Auffassung des Steuerpflichtigen nicht teilt, muss er diese Entscheidung durch Bescheid treffen, so dass sich der Steuerpflichtige hiergegen rechtlich wehren kann, und zwar auch vorab, wie der Hinweis des BFH auf den einstweiligen Rechtsschutz zeigt.
Einen generellen Ausschluss des Teilnahmerechts der Gemeinde in der Prüfungsanordnung wegen der Vertragsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Gemeinde lehnt der BFH aber ab, weil dies zu einer faktischen Aushöhlung des gesetzlich geregelten Teilnahmerechts der Gemeinde führen würde. Die Gemeinde müsste ansonsten Vertragsbeziehungen zu den Unternehmen ihrer Gemeinde unterlassen, um einen Ausschluss ihres Teilnahmerechts zu vermeiden; mit einer derartigen Unterlassung würde sie aber gegen ihre eigenen Interessen verstoßen.
Quelle: BFH, Urteil v. 20.10.2022 - III R 25/21; NWB
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Anfechtung einer Zinsfestsetzung mit fehlerhaftem Zinslauf
Hintergrund: Die Höhe der Zinsfestsetzung richtet sich grundsätzlich nach der Einkommensteuer. Die Zinsfestsetzung hängt aber auch von der Dauer des Zinslaufs ab. In der Regel beginnt der Zinslauf 15 Monate nach dem Ende des Veranlagungszeitraums, also z.B. für den Veranlagungszeitraum 01 am 1.4.03; allerdings gibt es derzeit coronabedingte Verschiebungen des Beginns des Zinslaufs. Wird die Einkommensteuer wegen eines rückwirkenden Ereignisses geändert, beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist; diese Regelung gilt seit dem Veranlagungszeitraum 2013 aber nicht bei der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags aufgrund der Nichtdurchführung der Investition.
Sachverhalt: Der Kläger bildete in den Streitjahren 2007 und 2008 jeweils einen Investitionsabzugsbetrag, führte jedoch in den folgenden drei Jahren die Investition jeweils nicht durch. Das Finanzamt machte daraufhin beide Investitionsabzugsbeträge rückgängig und änderte am 6.5.2013 die Steuerbescheide für 2007 und 2008 entsprechend. Zugleich setzte es Nachzahlungszinsen fest: Dabei legte das Finanzamt den Beginn des Zinslaufs auf den 1.4.2009 (für 2007) und auf den 1.4.2010 (für 2008) fest. Der Kläger legte innerhalb der Einspruchsfrist Einspruch „gegen die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer“ ein. Am 30.12.2013 wandte er sich auch gegen die Zinsfestsetzung. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, so dass der Kläger die Änderung der Zinsfestsetzung beantragte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage auf Änderung der Zinsfestsetzung ab:
Allein die Anfechtung der Einkommensteuerfestsetzung führte nicht zu einer Änderung der Zinsfestsetzung. Zwar ist die Höhe der Einkommensteuer maßgeblich für die Höhe der Zinsen; die Einkommensteuerfestsetzung hat aber keine Bindungswirkung für den Beginn des Zinslaufs.
Eine Korrektur der Zinsfestsetzung hätte eine Korrekturvorschrift vorausgesetzt, die es im Streitfall aber nicht gab. So schied eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit aus, weil das Finanzamt bewusst den regulären Zinsbeginn, der 15 Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums beginnt, in dem Zinsbescheid angesetzt hat. Bei einer bewussten Rechtsanwendung liegt keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne eines Schreib- oder Rechenfehlers vor. Weitere Korrekturvorschriften waren nicht einschlägig.
Der Einspruch hätte zwar eine Minderung der Einkommensteuer bewirken können, weil nach damaliger Rechtslage bei einem rückwirkenden Ereignis wie der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags der Zinslauf möglicherweise erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, begann; dies wäre der 1.4.2012 für den Investitionsabzugsbetrag des Jahres 2007 und der 1.4.2013 für den Investitionsabzugsbetrag des Jahres 2008 gewesen. Aber der Einspruch des Klägers richtete sich nur gegen die Einkommensteuerfestsetzung sowie gegen den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer, nicht jedoch gegen die Zinsfestsetzung. Erst nach Ablauf der Einspruchsfrist, nämlich am 30.12.2013, wandte sich der Kläger gegen die Zinsfestsetzung.
Hinweise: Der Fall zeigt, dass im Zweifel auch gegen die Zinsfestsetzung Einspruch eingelegt werden sollte. Ein Einspruch kann gebührenfrei eingelegt werden, da der Staat keine Gebühren bei Einlegung eines Einspruchs erhebt.
Seit dem Veranlagungszeitraum 2013 beginnt der Zinslauf bei Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags 15 Monate nach dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Investitionsabzugsbetrag gebildet worden ist. Für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 beläuft sich der Zinssatz nur noch auf 1,8 % und nicht mehr auf 6 %.
Quelle: BFH, Urteil v. 13.12.2022 - VIII R 16/19; NWB
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Keine gesetzliche Zugangsvermutung eines Bescheids bei nicht täglicher Postzustellung
Hintergrund: Nach dem Gesetz gilt ein Bescheid, der durch die Post übermittelt wird, als am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, es sei denn, er ist nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen. Im Zweifel hat das Finanzamt den Zugang des Bescheids und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Sachverhalt: Das Finanzamt erließ mit Datum vom 15.6.2018, einem Freitag, einen Einkommensteuerbescheid für 2017 gegenüber der Klägerin. Mit der postalischen Übermittlung des Bescheids beauftragte das Finanzamt den privaten Postdienstleister C. Die Klägerin kehrte am 19.6.2018, einem Dienstag, aus ihrem Urlaub zurück. Sie fand den Bescheid in ihrem Briefkasten vor und übermittelte ihn an ihren Steuerberater, der am 19.7.2018, einem Donnerstag, Einspruch beim Finanzamt einlegte und weitere Werbungskosten geltend machte. Das Finanzamt hielt den Einspruch für verfristet, weil nach seiner Auffassung die Einspruchsfrist am 18.7.2018 geendet hatte.
Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) hielt den Einspruch für zulässig und hinsichtlich der geltend gemachten Werbungskosten auch für begründet:
Die gesetzliche Zugangsvermutung, nach der der Bescheid vom 15.6.2018 als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, greift im Streitfall nicht, da die C die Post nicht an sechs Tagen in der Woche zugestellt hat, sondern nur an fünf Tagen.
An der Aufgabe zur Post am 15.6.2018 bestehen zwar keine Zweifel, da das Finanzamt dargelegt hat, dass sichergestellt war, dass der schon vor dem 15.6.2018 erstellte Bescheid am 15.6.2018 der C übergeben wird. Auch ist die C als Post anzusehen, weil auch private Postdienstleistungsunternehmen als Post einzustufen sind.
Die gesetzliche Zugangsvermutung greift allerdings nicht, wenn die Post oder der private Postdienstleister die Post regelmäßig nicht an allen Werktagen (Montag bis Sonnabend) zustellt, sondern – wie im Streitfall – nur an fünf Tagen eine Postzustellung durchführt.
Es erscheint möglich, dass der Bescheid der Klägerin erst am 19.6.2018 bekannt gegeben worden ist, so dass der Einspruch rechtzeitig erhoben worden ist. Nach den Aussagen der Zeugen, die das FG vernommen hat, wurde die Post des Finanzamts am Sonnabend, dem 16.6.2018, im Zustellzentrum der C, das 140 km vom Finanzamt entfernt war, angeliefert und dann erst wieder am Dienstag, dem 19.6.2018, angeliefert. Am 18.6.2018 wurde nur die Post ausgetragen, die am 16.6.2018 angeliefert wurde und an diesem Tag nicht mehr zugestellt wurde.
Inhaltlich gab es keinen Streit über die geltend gemachten Werbungskosten, so dass der Einspruch auch begründet war.
Hinweise: Das FG sah es als unschädlich an, dass die Klägerin den Briefumschlag nicht aufgehoben hatte. In der Praxis sollte ein Briefumschlag aber vorsorglich aufgehoben werden, erst recht, wenn sich hieraus ergibt, dass der Bescheid erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben worden sein könnte.
Mit der Postzustellung verhält es sich aktuell wie mit der Bahn: Beide werden zunehmend unzuverlässiger. Möglicherweise wird dieses Problem im Bereich der Bekanntgabe von Steuerbescheiden durch die elektronische Übermittlung oder durch die Bereitstellung von Bescheiden zum Datenabruf gemindert; soweit aber eine postalische Bekanntgabe erfolgt, „wackelt“ die gesetzliche Zugangsvermutung von drei Tagen nach Aufgabe zur Post. Gleichwohl sollte nicht darauf vertraut werden, dass die Einspruchsfrist erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt, sondern der Einspruch frühzeitig – ggf. ohne Begründung – erhoben werden, zumal eine Einspruchseinlegung per E-Mail zulässig ist.
Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 24.8.2022 - 7 K 7045/20; NWB
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Höhe der Säumniszuschläge ist verfassungsgemäß
Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung von Steuern werden Säumniszuschläge in Höhe von 1 % monatlich des rückständigen Betrags erhoben. Jährlich entstehen also Säumniszuschläge in Höhe von 12 %. Dieser Zuschlag ist doppelt so hoch wie die für Verzinsungszeiträume bis 31.12.2018 geltenden Nachzahlungszinsen, die monatlich 0,5 % betrugen, Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Jahr 2021 die Höhe des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gesenkt. Umstritten ist, ob diese Entscheidung des BVerfG auch Bedeutung für die Höhe der Säumniszuschläge hat.
Sachverhalt: Der Kläger war ein Insolvenzverwalter eines Steuerpflichtigen, der die Steuern verspätet bzw. gar nicht gezahlt hatte. Hierdurch waren Säumniszuschläge in Höhe von 1.153 € verwirkt worden. Das Finanzamt erließ die Hälfte und meldete die verbleibende Hälfte in Höhe von 576,50 € zur Insolvenztabelle an. Da der Insolvenzverwalter die Säumniszuschläge bestritt, erließ das Finanzamt einen Feststellungsbescheid über Insolvenzforderungen, zu denen auch die Säumniszuschläge gehörten. Hiergegen klagte der Insolvenzverwalter und machte die Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge geltend.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:
Die Höhe von 1 % pro Monat bzw. 12 % jährlich für Säumniszuschläge ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen für Nachzahlungszinsen, die zur Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 6 % für Verzinsungszeiträume führten, lassen sich auf Säumniszuschläge nicht übertragen.
Im Gegensatz zu den Zinsen auf Steuernachzahlungen ist der Hauptzweck von Säumniszuschlägen nämlich nicht die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen. Vielmehr geht es bei Säumniszuschlägen vorrangig um die Sanktionierung verspäteter Zahlungen. Der Steuerpflichtige hat die Entstehung des Säumniszuschlags aufgrund seiner verspäteten Zahlung zudem bewusst in Kauf genommen.
Der Gesetzgeber musste bei der Höhe der Säumniszuschläge auch nicht das strukturelle Niedrigzinsniveau, das seit 2014 besteht, berücksichtigen. Säumniszuschläge sind nämlich keine Zinsen, sondern Nebenleistungen zur Steuer, die die Eigenschaften von Zinsen teilen. In Säumniszuschlägen ist auch kein konkreter Zinsanteil enthalten.
Hinweise: Bislang hatte sich der BFH nur im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Höhe der Säumniszuschläge geäußert. Die aktuelle Entscheidung ist hingegen ein Urteil im Hauptsacheverfahren. Allerdings kann eine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge allein das BVerfG treffen.
In der Praxis wird angenommen, dass die Hälfte der Säumniszuschläge als Druckmittel dient und im Übrigen eine Zinsfunktion hat sowie den Verwaltungsaufwand des Finanzamts ersetzen soll. Ist der Steuerpflichtige zahlungsunfähig, wird daher auf Antrag in der Regel die Hälfte der Säumniszuschläge erlassen (wie auch im Streitfall), da bei Zahlungsunfähigkeit ein Druckmittel sinnlos ist.
Quelle: BFH, Urteil v. 15.11.2022 - VII R 55/20; NWB
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Finanzverwaltung äußert sich zum Umsatzsteuersatz für Photovoltaikanlagen
Hintergrund: Ab dem 1.1.2023 wird die Lieferung von Solarmodulen einer Photovoltaikanlage an den Betreiber einer Photovoltaikanlage mit 0 % besteuert, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt. Die Neuregelung betrifft also nicht die Einspeisung des Stroms in das Stromnetz, sondern die Lieferung der Photovoltaikanlage durch den Hersteller oder Händler an den Betreiber.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
Wird ab dem 1.1.2023 eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) erworben, entfällt ein Vorsteuerabzug, weil die Lieferung der Solarmodule einem Umsatzsteuersatz von 0 % unterliegt. Damit entfällt auch die Besteuerung der nichtunternehmerischen Nutzung des Stroms oder der Photovoltaikanlage.
Ist die Photovoltaikanlage vor dem 1.1.2023 erworben und dem Unternehmen vollständig zugeordnet worden, konnte die Vorsteuer in vollem Umfang geltend gemacht werden. Daher ist auch nach dem 31.12.2022 eine nichtunternehmerische Nutzung des Stroms oder der Photovoltaikanlage als unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern.
Ist die Photovoltaikanlage vor dem 1.1.2023 erworben und dem Unternehmen vollständig zugeordnet worden, führt die zukünftige Nutzung des Stroms im Umfang von voraussichtlich mehr als 90 % für nichtunternehmerische Zwecke zur Entnahme der gesamten Photovoltaikanlage.
Von einer voraussichtlichen Verwendung von mehr als 90 % für nichtunternehmerische Zwecke ist insbesondere auszugehen, wenn ein Teil des erzeugten Stroms z.B. in einer Batterie gespeichert wird oder wenn eine Rentabilitätsrechnung eine Nutzung für unternehmensfremde Zwecke von über 90 % nahelegt.
Auch Nebenleistungen zur eigentlichen Lieferung unterliegen ab dem 1.1.2023 dem Steuersatz von 0 %. Hierzu gehören z.B. die Bereitstellung der Software, die Montage oder die Bereitstellung von Gerüsten. Der Teil des Entgelts, der auf eigenständige Serviceleistungen entfällt, z.B. Wartungsarbeiten, die Einholung behördlicher Genehmigungen oder die Versicherung der Anlage unterliegt nicht dem Steuersatz von 0 %.
Hinweis: Die Vermietung von Photovoltaikanlagen unterliegt dem regulären Steuersatz von 19 %. Eine einheitliche Miete ist nach der einfachstmöglichen Methode aufzuteilen.
Nur die Lieferung der Photovoltaikanlage an den Betreiber der Anlage unterliegt dem Steuersatz von 0 %, nicht aber eine Lieferung an einen Zwischenhändler oder Leasinggeber.
Hinweis: Die Verwaltungsanweisung zur Umsatzsteuer wird hinsichtlich der Neuregelung umfassend geändert. Die Auffassung der Finanzverwaltung gilt für Umsätze, die nach dem 31.12.2022 ausgeführt werden.
Das BMF beanstandet es nicht, wenn einzelne Regelungen wie z.B. der Ausschluss des Nullsteuersatzes für eigenständige Serviceleistungen wie z.B. Wartungsarbeiten, die Einholung von behördlichen Genehmigungen oder die Versicherung der Photovoltaikanlage mit einer Haftpflicht- und Vermögensschadensversicherung erst ab dem 1.4.2023 angewendet werden.
Das BMF enthält noch weitere Beispiele und Ausführungen, z.B. zur Installation der Anlage, zur Nachweispflicht über das Vorliegen der Voraussetzungen des Nullsteuersatzes oder zur Prüfung der 30 kW-Grenze.
Quelle: BMF-Schreiben v. 27.2.2023 - III C 2 - S 7220/22/10002 :010; NWB
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Beweiskraft einer Postzustellungsurkunde bei Bekanntgabe eines Bescheids
Hintergrund: Steuerbescheide werden grundsätzlich elektronisch oder mit einfachem Brief bekannt gegeben. Allerdings ist auch eine Zustellung mittels Postzustellungsurkunde möglich. In diesem Fall muss der Postbote den Brief persönlich übergeben und dies auf der Urkunde vermerken; scheitert die Übergabe an den Empfänger, kann er den Brief in den Briefkasten des Empfängers einwerfen und muss dies auf der Postzustellungsurkunde vermerken.
Sachverhalt: Das Finanzamt wollte der durch eine Steuerberatungsgesellschaft vertretenen Klägerin eine Einspruchsentscheidung mittels Postzustellungsurkunde zustellen. Der Postbote warf die Einspruchsentscheidung in den Briefkasten der Steuerberatungsgesellschaft am 14.5.2021, einem Freitag, ein. Er vermerkte in der Postzustellungsurkunde, dass er am 14.5.2021 erfolglos versucht habe, die Einspruchsentscheidung in den Geschäftsräumen persönlich dem Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft oder ersatzweise einem Angestellten zu übergeben. Er notierte aber nicht die Uhrzeit des Übergabeversuchs. Die Steuerberatungsgesellschaft brachte auf der Einspruchsentscheidung einen Eingangsstempel mit dem Datum vom 17.5.2021 (Montag) an und erhob erst am 17.6.2021 Klage.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die Klage als unzulässig ab:
Die Klage ist erst nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist und damit verspätet erhoben worden. Die Einspruchsentscheidung ist nämlich schon am 14.5.2021 bekannt gegeben worden.
Das Bekanntgabedatum des 14.5.2021 ergibt sich aus der Postzustellungsurkunde, auf der dieses Datum vermerkt ist. Einer ordnungsgemäß erstellten Postzustellungsurkunde kommt kraft Gesetzes Beweiskraft zu, sofern nicht ein Gegenbeweis geführt wird.
Die Postzustellungsurkunde war ordnungsgemäß erstellt worden, da der Postbote die erfolglose Übergabe am 14.5.2021 sowie den Einwurf der Einspruchsentscheidung am 14.5.2021 vermerkt hatte. Es war nicht erforderlich, dass der Postbote auch die Uhrzeit des Übergabeversuchs auf der Urkunde einträgt.
Einen Gegenbeweis hat die Steuerberatungsgesellschaft nicht geführt. Sie hat lediglich behauptet, dass eine Übergabe am 14.5.2021 in der Zeit von 7.00 bis 19.00 Uhr erfolgreich gewesen wäre, weil dem Postboten nach dem Klingeln geöffnet worden wäre. Diese Behauptung genügt nicht, um einen Gegenbeweis zu führen, weil ein Übergabeversuch bereits dann durchgeführt wird, wenn dem Postboten nach dem erstmaligen Klingeln nicht hinreichend schnell geöffnet wird.
Hinweise: Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren, da die fehlerhafte Anbringung des Eingangsstempels (17.5.2021 statt 14.5.2021) nicht auf einem Büroversehen beruhte. Die Steuerberatungsgesellschaft hätte hierzu einen ordentlichen Ablauf ihrer Post- und Fristerfassung darlegen müssen.
Das FG hat sieben Mitarbeiter der Steuerberatungsgesellschaft als Zeugen vernommen, um die Behauptung, dass die Postzustellungsurkunde unrichtig erstellt worden sei, zu überprüfen.
Mit einer Bekanntgabe durch Postzustellungsurkunde ist die Bekanntgabe grundsätzlich an dem Tag erfolgt, der in der Urkunde als Zustellungstag vermerkt ist. Die einmonatige Einspruchs- und Klagefrist beginnt dann auch bereits mit Ablauf dieses Tages. Anders ist dies bei der Bekanntgabe eines Bescheids oder einer Einspruchsentscheidung mit einfachem Brief, da hier eine Bekanntgabe erst nach Ablauf von drei Tagen nach Aufgabe zur Post kraft Gesetzes fingiert wird.
Quelle: FG Münster, Urteil v. 22.11.2022 - 15 K 1593/21 U, AO; NWB
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Finanzverwaltung: Steuerliche Entlastungen bei Hilfe für die Erdbebenopfer in Syrien und der Türkei
Hintergrund: Im Februar 2023 ereignete sich ein schweres Erdbeben in der Türkei und in Syrien.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
1. Spenden und Gemeinnützigkeitsrecht
Für Spenden, die bis zum 31.12.2023 geleistet werden und auf entsprechende Sonderkonten von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege oder von juristischen Personen des öffentlichen Rechts wie z.B. Gemeinden geleistet werden, gilt der sog. vereinfachte Zuwendungsnachweis. Statt einer Spendenbescheinigung genügt also der Überweisungsbeleg.
Gemeinnützige Vereine, die nicht mildtätige Zwecke fördern wie z.B. Sportvereine, dürfen Spendenaktionen zugunsten der Erdbebenopfer durchführen und die erzielten Spenden für Erdbebenopfer verwenden oder auf Sonderkonten mildtätiger Vereine oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts weiterleiten. Eine Satzungsänderung des Sportvereins ist also nicht erforderlich.
Außerdem können gemeinnützige Vereine Sachmittel und Personal für Erdbebenopfer einsetzen, ohne dass dies Auswirkungen auf ihre Gemeinnützigkeit hat. Bei materiellen und finanziellen Hilfen reicht es, wenn die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit der unterstützten Erdbebenopfer glaubhaft gemacht wird; ein Nachweis ist also nicht erforderlich.
2. Unterstützungsmaßnahmen von Unternehmen
Unterstützungsleistungen von Unternehmen können als Betriebsausgaben in voller Höhe abgezogen werden. Der Abzug ist als Sponsoringaufwand möglich, wenn das Unternehmen auf seine Unterstützung öffentlichkeitswirksam in den Medien aufmerksam macht.
Scheidet ein Abzug als Sponsoringaufwand auf, kann dennoch ein Betriebsausgabenabzug bei der Zuwendung von Wirtschaftsgütern oder sonstigen betrieblichen Nutzungen und Leistungen an Erdbebenopfer oder Einrichtungen bis zum 31.12.2023 aus allgemeinen Billigkeitserwägungen erfolgen. Dies gilt aber nicht bei der Hingabe von Geld.
Hinweis: Begünstigt sind also etwa Zuwendungen im Rahmen der Gefahrenabwehr oder der allgemeinen Aufräumarbeiten.
3. Arbeitslohnspenden und Aufsichtsratsspenden
Arbeitslohnspenden sind steuerfrei. Der Arbeitnehmer kann also auf einen Teil seines Lohns verzichten, damit der Arbeitgeber diesen Teil an Erdbebenopfer weiterleitet oder damit der Arbeitgeber diesen Teil auf ein Erdbeben-Spendenkonto einzahlt. Neben der Steuerfreiheit ist ein gleichzeitiger Spendenabzug aber nicht zulässig.
Ferner kann der Arbeitgeber Arbeitnehmern, die vom Erdbeben betroffen sind, eine steuerfreie Unterstützungszahlung von 600 € leisten. Da es sich bei einem Erdbeben um einen besonderen Notfall handelt, darf der Betrag von 600 € grundsätzlich sogar überschritten werden.
Ebenso kann ein Mitglied eines Aufsichtsrats auf seine Vergütung ganz oder teilweise verzichten, damit sie zugunsten der Erdbebenopfer eingesetzt wird. Dieser Teil der Vergütung ist dann steuerfrei.
4. Umsatzsteuer
Unterstützungsleistungen zugunsten der Erdbebenopfer lösen keine nachteiligen umsatzsteuerlichen Folgen aus. Die Bereitstellung von Sachmitteln oder Personal für humanitäre Zwecke wird also nicht als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer unterworfen.
5. Schenkungsteuer
Schenkungen an Erdbebenopfer oder Organisationen, die sich um die Opfer kümmern, können schenkungsteuerfrei sein, z.B. Schenkungen an Religionsgesellschaften oder an gemeinnützige Organisationen.
Hinweise: Die hier wiedergegebenen Erleichterungen sind oft noch an weitere Voraussetzungen geknüpft. Sie gelten für Unterstützungsmaßnahmen, die vom 6.2.2023 bis zum 31.12.2023 durchgeführt werden.
Quelle: BMF-Schreiben v. 27.2.2023 - IV C 4 - S 2223/19/10003 :019; NWB
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Kosten für unangemessen aufwendige Abschiedsfeier nicht abziehbar
Hintergrund: Nach dem Gesetz sind Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten absetzbar. Hierunter werden auch unangemessene Repräsentationsaufwendungen gefasst.
Sachverhalt: Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH und feierte mit 162 Gästen seinen Abschied aus dem Berufsleben. Unter den Gästen waren auch elf Personen aus seinem privaten Umfeld. Die Feier fand in einem luxuriösen Gutshof in Franken statt. Für die Feier gab es eine aufwendige Beleuchtung, Getränkekarten aus Hartschaum und Acryl, eine Zigarren-Lounge, ein Barrista-Bike, Feuertänzer sowie ein Zirkusprogramm. Außerdem trat ein regional bekanntes Trio auf, und es wurde für die Gäste ein Trommelworkshop mit 170 Trommeln angeboten. Für die Feier entstanden Kosten in Höhe von ca. 95.000 €, in denen die Bewirtungskosten enthalten waren. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Werbungskosten unter Hinweis auf die Unangemessenheit der Kosten nicht an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Nürnberg (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Aufwendungen waren steuerlich nicht absetzbar, da es sich um unangemessene Repräsentationsaufwendungen handelte. Die Kosten für eine unangemessene Repräsentation fallen unter das gesetzliche Abzugsverbot für Aufwendungen, das auch den Abzug von Aufwendungen für eine Jagd oder Fischerei, Segel- oder Motorjacht untersagt.
Die Unangemessenheit ergibt sich aus dem luxuriösen Ort, nämlich dem sehr anspruchsvollen Gutshof, auf dem schon königliche Gäste verweilt hatten, und der aufwendigen Art und Weise der Unterhaltung. Hierzu gehörten die aufwendige Beleuchtung, die Getränkekarten aus Hartschaum und Acryl, Besonderheiten wie eine Zigarren-Lounge oder ein Barrista-Fahrrad, auf dem Kaffee serviert wurde, die Feuertänzer, das Zirkusprogramm, der Auftritt eines regional bekannten Trios und der Trommel-Workshop mit 170 Trommeln.
Die Unangemessenheit folgt auch aus den hohen Kosten. Denn pro Gast ergab sich ein Kostenanteil von ca. 580 €, der deutlich über dem gesetzlichen Freibetrag von 110 € für Betriebsveranstaltungen liegt.
Die Nichtabziehbarkeit umfasst auch die Bewirtungskosten, da das Gesetz diese ausdrücklich als nicht abziehbar ansieht, wenn die Veranstaltung unangemessen ist.
Hinweise: Typische Beispiele für unangemessene Repräsentationsveranstaltungen sind Oldtimer-Rallyes, Golfturniere oder Reitturniere. Ein sog. Herrenabend, bei dem ein Rechtsanwalt seine männlichen Mandanten einlädt und pro Mandant Kosten in Höhe von ca. 60 € entstehen, ist hingegen nicht unangemessen.
Quelle: FG Nürnberg, Urteil v. 19.10.2022 - 3 K 51/22; NWB
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Steuerpflicht eines Promotionsstudiums
Hintergrund: Wiederkehrende Zahlungen können als sog. sonstige Einkünfte steuerbar sein. Stipendien sind steuerfrei, wenn sie aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden.
Sachverhalt: Die Klägerin promovierte in den Jahren 2012 bis 2014 in Sachsen. Hierfür erhielt sie ein Stipendium in Höhe von 800 € monatlich, das aus öffentlichen Mitteln erbracht wurde. Allerdings wurde der Klägerin das Stipendium nur unter der Voraussetzung gewährt, dass sie ein sächsisches Unternehmen findet, das in gleicher Höhe ein Stipendium leistet. Auf diese Weise sollte das Stipendium in Höhe von monatlich 1.600 € von öffentlicher und privater Hand gemeinsam finanziert werden. Die Klägerin fand eine in Sachsen ansässige GmbH, die ihr ebenfalls ein monatliches Stipendium in Höhe von 800 € gewährte. Das Finanzamt erfasste die von der GmbH geleisteten Stipendiumszahlungen als freiberufliche Einkünfte.
Entscheidung: Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Der BFH hob das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Stipendiumszahlungen können als sog. wiederkehrende Bezüge steuerbar sein und zu den sonstigen Einkünften gehören. Denn sie erhöhen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten.
Allerdings sind Stipendiumszahlungen nur dann steuerbar, wenn der Stipendiat eine wie auch immer geartete wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat. Allein die durch das Stipendium geförderte wissenschaftliche Leistung ist keine wirtschaftliche Gegenleistung. Denn das Promotionsvorhaben wird nicht deshalb durchgeführt, um Einnahmen in Form von Stipendiumszahlungen zu erhalten. Es genügt auch nicht, dass sich die Klägerin gegenüber der GmbH verpflichtet hat, ihre gesamte Arbeitskraft der Promotion zu widmen.
Das FG muss nun prüfen, ob die Klägerin zu einer wie auch immer gearteten wirtschaftlichen Gegenleistung verpflichtet war. Sollte dies zu bejahen sein, wäre das Stipendium, soweit es von der GmbH gezahlt worden ist, steuerpflichtig. Denn die gesetzliche Steuerfreiheit für Stipendien gilt nur für Stipendien, die aus öffentlichen Mitteln erbracht werden; hierzu gehören die Mittel der GmbH nicht.
Hinweise: Anders ist dies beim sog. Deutschlandstipendium, das sich aus öffentlichen und aus privaten Fördermitteln zusammensetzt; denn die privaten Fördermittel werden von den Hochschulen eingeworben und gehen dann in die Mittel der jeweiligen Hochschule ein, so dass sie im Ergebnis auch aus öffentlichen Mitteln geleistet werden. Beim sächsischen Stipendium (sog. ESF-Stipendium) erhielt die Klägerin die Hälfte ihrer monatlichen Zahlung jedoch unmittelbar von der GmbH und damit aus privaten Mitteln.
Quelle: BFH, Urteil v. 28.9.2022 - X R 21/20; NWB
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Steuerpflicht von Prämien aus der sog. Treibhausgasminderungs-Quote
Hintergrund: Seit dem Jahr 2022 können Halter von reinen Elektrofahrzeugen die mit ihrem Ladestrom verbundene CO2-Ersparnis nutzen, um sie gegen Prämienzahlungen dem Handel mit sog. Treibhausgasminderungs-Quoten anzubieten. Die Prämienzahlungen, die Halter von Elektrofahrzeugen dafür erhalten, können steuerpflichtig sein. Ausschlaggebend für die Steuerpflicht ist die Frage, ob es sich um ein Fahrzeug im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen handelt und wer im Falle der Dienstwagengestellung an den Arbeitnehmer die Prämie beziehungsweise Quote erhält.
Dem BMF zufolge bedeutet dies im Allgemeinen:
Fahrzeug ist... Steuerliche Beurteilung Betriebsvermögen Erhaltene Zahlungen sind Betriebseinnahmen und damit als Teil des Gewinns steuerpflichtig. Privatvermögen Der Erlös aus dem Verkauf der THG-Quote ist keiner Einkunftsart zuzuordnen. Erhaltene Zahlungen sind daher „privat“ und unterliegen nicht der Einkommensteuer. Dienstwagen Bei der Überlassung eines betrieblichen Fahrzeugs an Arbeitnehmer ist regelmäßig der Arbeitgeber der Fahrzeughalter. Die Prämie steht daher im Regelfall dem Arbeitgeber zu. Lohnsteuerliche Konsequenzen für den Arbeitnehmer ergeben sich dann nicht.Anders verhält es sich jedoch in den (Sonder-)Fällen, in denen der Arbeitnehmer die Prämie vereinnahmt, weil er Halter des Fahrzeuges ist oder weil der Arbeitgeber als Fahrzeughalter dem Arbeitnehmer eine Bestätigung für den Quotenhandel erteilt hat. Hier liegt steuerpflichtiger Arbeitslohn vor.Unabhängig davon, wer die Prämie erhält, gilt für die Dienstwagenbesteuerung: Wird die sog. Fahrtenbuchmethode angewendet oder greift die sog. Kostendeckelung, mindert die Prämie die Gesamtkosten des Fahrzeuges und reduziert damit in diesen Fällen den steuerpflichtigen Nutzungsvorteil aus der Fahrzeugüberlassung. Hintergrund der THG-Quote:
Unternehmen der Mineralölwirtschaft, die in Deutschland Otto- oder Dieselkraftstoffe in den Verkehr bringen, sind nach Umweltrecht verpflichtet, die durch diese Kraftstoffe entstehenden Treibhausgasemissionen zu mindern (sogenannte THG-Quote). Jede Nichterfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen CO2-Minderung wird für jede Tonne CO2 mit einer staatlichen Abgabe sanktioniert.
Verpflichtete Unternehmen können die Quotenverpflichtung zum Beispiel durch Beimischung oder Verkauf von reinem Biokraftstoff oder eFuels sowie durch die Anrechnung von in Elektrofahrzeugen genutztem Strom erfüllen. Dabei können die Unternehmen ihre Verpflichtungen selbst erfüllen oder sie an Dritte übertragen ("THG-Quotenhandel"). Die Anrechnung von Strom ist als eine mögliche Minderungsoption der Verpflichteten in der „Verordnung zur Festlegung weiterer Bestimmungen zur Treibhausgasminderung bei Kraftstoffen - 38. BImSchV“ geregelt.
Neben den öffentlichen Ladepunkten, ist auch Strom anrechenbar, der anderweitig zum Betrieb von Elektrofahrzeugen aus dem Stromnetz entnommen wurde. Die Teilnahme am Quotenhandel ist unabhängig davon, ob das Fahrzeug zum Betriebs- oder Privatvermögen gehört. Damit reicht das Spektrum der Quotenverkäuferinnen und Quotenverkäufer aus Ladestrom nunmehr von privaten Halterinnen und Haltern eines E-Fahrzeuges bis zu professionellen Betreiberinnen und Betreibern von Pkw-, Nutzfahrzeug- oder Busflotten. Der Nachweis über die Berechtigung zum Verkauf der Quote ist durch eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I (früher Fahrzeugschein) eines im Inland zugelassenen Fahrzeugs zu erbringen.
Mit Beginn des Jahres 2022 und aktuell bis zum Jahr 2030 kann somit jede Fahrzeughalterin und jeder Fahrzeughalter eines rein batterieelektrischen Fahrzeugs (E-Auto, E-Leichtnutzfahrzeug oder E-Bus) von der THG-Quote finanziell profitieren. Anspruchsberechtigt ist die beziehungsweise der im Fahrzeugschein eingetragene Halterin oder Halter. Die Zahlung kann aber auch an eine andere Person erfolgen, wenn diese nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil I eingetragen ist, jedoch eine Bestätigung des Halters – und damit eine Art Freigabebescheinigung – vorlegt. Die ersten Auszahlungen sind bereits in 2022 erfolgt.
Quelle: BMF online, Meldung v. 28.10.2022; NWB
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Vorsicht Falle: Betrugs-E-Mails und falsche WhatsApp-Nachrichten im Umlauf
Die Thüringer Finanzverwaltung warnt:
Derzeit versenden Betrüger E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten im Namen des Finanzamts, des Bundesfinanzministeriums oder des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). Sie behaupten ein ausstehender Betrag sei nach mehrfachen Mahnungen nicht vom Steuerpflichtigen beglichen worden. Gedroht wird mit der Pfändung des Hausrats durch den Gerichtsvollzieher. Die Betrüger fordern den vorgeblich noch offenen Betrag sofort per Echtzeit-Überweisung zu zahlen. In den WhatsApp-Nachrichten wird dafür ein Zahlungs-Link verschickt, der unter keinen Umständen geöffnet werden sollte. Per E-Mail werden falsche Schreiben im Namen des BZSt, in denen zur Zahlung aufgefordert wird, als Anhang versandt.
Die Finanzverwaltung warnt eindringlich davor, den Anweisungen zu folgen. Zahlungsaufforderungen durch das Finanzamt werden in jedem Fall schriftlich, ausschließlich per Post oder über das persönliche ELSTER-Benutzerkonto an Steuerpflichtige versandt, niemals per E-Mail, SMS oder WhatsApp.
Hinweis: Betrüger nutzen oft mehrere Wege, um an die Daten von Bürgerinnen und Bürger zu gelangen. Betroffene sollen sich in solchen Fällen an die örtliche Polizeidienststelle wenden.
Quelle: Thüringer Finanzministerium, Pressemitteilung v. 22.3.2023 (il)
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Abschreibung eines nachträglich angeschafften Stellplatzes nach vorheriger Denkmal-Abschreibung
Hintergrund: Bei Gebäuden, die als Denkmal eingestuft werden, ist eine Abschreibung von jährlich 10 % auf die Kosten für die Baumaßnahmen, die zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, über insgesamt zehn Jahre möglich (sog. Denkmal-Abschreibung). Die Anschaffungskosten für die Altbausubstanz, für die die Denkmal-Abschreibung nicht möglich ist, werden „normal“ über die Nutzungsdauer abgeschrieben. In früheren Jahren war insoweit auch eine degressive Abschreibung, also in fallenden Jahresbeträgen, möglich.
Sachverhalt: Der Kläger erwarb 1999 eine denkmalgeschützte Eigentumswohnung, die er vermietete. Die Bemessungsgrundlage für die Denkmal-Abschreibung betrug 84.664 €, während die Bemessungsgrundlage für die Abschreibung auf die Altbausubstanz 42.786 € betrug (zusammen 127.450 €). Der Kläger nahm im Zeitraum 1999 bis 2009 die Denkmal-Abschreibung jährlich in Höhe von jeweils 10 % in Anspruch, so dass das begünstigte Abschreibungsvolumen für den denkmalgeschützten Bereich von 84.664 € vollständig aufgebraucht war. Die Altbausubstanz schrieb er auf der Bemessungsgrundlage von 42.786 € degressiv ab. Im Jahr 2015 erwarb der Kläger einen Kfz-Stellplatz in der Tiefgarage für 19.926 € hinzu. Für 2015 ging der Kläger von einer Abschreibungsbemessungsgrundlage in Höhe von 149.076 € aus, indem er die ursprünglichen Anschaffungskosten von 129.149 € (127.450 € zuzüglich Anteil für den Grund und Boden) um 19.926 € erhöhte; hierauf wandte er den damals gültigen degressiven Abschreibungssatz von 1,25 % an. Das Finanzamt nahm hingegen eine Bemessungsgrundlage von 62.712 € an, nämlich die Bemessungsgrundlage für die Altbausubstanz von 42.786 € sowie die Bemessungsgrundlage für den Stellplatz von 19.926 €. Es berücksichtigte daher eine degressive AfA von lediglich 784 € (1,25 % x 62.712 €).
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Abschreibung im Jahr 2015 war die Bemessungsgrundlage für die Denkmal-Abschreibung nicht mehr zu berücksichtigen, weil das Abschreibungsvolumen für die Denkmal-Abschreibung im Begünstigungszeitraum 1999 bis 2009 bereits aufgebraucht worden war.
Bei der Denkmal-Abschreibung handelt es sich um eine eigenständige Abschreibung mit einer eigenständigen Bezugsgröße, einem eigenem Abschreibungssatz und einem eigenen Abschreibungsvolumen.
Nachdem das Abschreibungsvolumen für die Denkmal-Abschreibung im Jahr 2009 aufgebraucht worden war, konnte die Bemessungsgrundlage für die Denkmal-Abschreibung nicht mehr bei der "regulären" Abschreibung auf die Altbausubstanz und den Stellplatz angesetzt werden.
Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass es bei denkmalgeschützten Gebäuden zwei eigenständige Abschreibungssysteme gibt, nämlich die Denkmal-Abschreibung sowie die reguläre Abschreibung. Da die Denkmal-Abschreibung im Jahr 2015 bereits aufgebraucht war, konnte die Bemessungsgrundlage für die Denkmal-Abschreibung im Jahr 2015 nicht mehr zu einer höheren Bemessungsgrundlage für die reguläre Abschreibung führen. Anders wäre dies gewesen, soweit das Abschreibungsvolumen für die Denkmal-Abschreibung in dem zehnjährigen Begünstigungszeitraum nicht vollständig aufgebraucht worden wäre, weil noch nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten im denkmalgeschützten Bereich getätigt worden wären.
Bei der Abschreibung unterscheidet man zwischen dem Volumen und der Bemessungsgrundlage: Das Volumen ist der Betrag, der noch abgeschrieben werden kann und sich steuerlich auswirkt; die Bemessungsgrundlage ist der Betrag, auf den der Abschreibungssatz angewendet wird.
Quelle: BFH, Urteil v. 15.11.2022 - IX R 14/20; NWB
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Spekulationsgewinn nach Teilung eines selbstgenutzten Grundstücks
Hintergrund: Der Verkauf von Immobilien des Privatvermögens mit Gewinn löst innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist eine Steuerpflicht aus. Die Steuerpflicht besteht nicht, wenn das Grundstück selbstgenutzt worden ist.
Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute und erwarben im März 2014 in einem Dorf ein ca. 3.800 qm großes, mit einer Ruine bebautes Grundstück zum Preis von 123.000 €. Sie sanierten das Gebäude und zogen im Jahr 2015 dort ein. Im Mai 2019 ließen sie das Grundstück in zwei Flurstücke teilen; das neue Flurstück war 1.000 qm groß und unbebaut. Die Klägerin verkauften das neue Flurstück im Juni 2019 zum Kaufpreis von 90.000 € und nutzten das andere, bebaute Flurstück mit einer Größe von 2.800 qm weiterhin selbst. Das Finanzamt behandelte den Verkauf als steuerpflichtigen Spekulationsgewinn in Höhe von 76.400 €, indem es von dem Kaufpreis Anschaffungskosten in Höhe von 23.600 € (1.000 qm x 23,60 € Bodenrichtwert) abzog. Hiergegen wehrten sich die Kläger.
Entscheidung: Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) wies die Klage weitgehend ab:
Die Voraussetzungen eines steuerpflichtigen Spekulationsgewinns waren erfüllt. Die Kläger haben innerhalb von zehn Jahren ein Grundstück gekauft und – teilweise – wieder verkauft und dabei einen Gewinn erzielt.
Das verkaufte Flurstück diente nicht eigenen Wohnzwecken. Zwar gehörte das verkaufte Flurstück ursprünglich zum ca. 3.800 m² großen Grundstück, das selbstgenutzt wurde. Diese Selbstnutzung endete aber mit der Teilung des Grundstücks in zwei Flurstücke. Ab diesem Zeitpunkt wurde nur noch das bebaute Flurstück mit einer Größe von ca. 2.800 m² selbstgenutzt. Das neue Flurstück wurde vor dem Verkauf nicht mehr selbst genutzt.
Das Finanzamt hat allerdings den Spekulationsgewinn falsch berechnet: Von dem Veräußerungspreis von 90.000 € waren Anschaffungskosten in Höhe von 31.840 € abzuziehen, so dass sich ein Spekulationsgewinn von 58.160 € statt 76.400 € ergab. Der ursprüngliche Kaufpreis von 123.000 € entfiel angesichts der Bebauung mit einer Ruine ausschließlich auf den Grund und Boden, so dass sich ein Quadratmeterpreis von 31,84 € ergab (123.000 € : 3.863 qm) und somit 31.840 € abzuziehen waren.
Hinweise: Die Steuerbefreiung für den Verkauf selbstgenutzter Grundstücke wird gewährt, um Grundstücksveräußerungen nicht zu besteuern, die aufgrund eines Wohnsitzwechsels erfolgen. Einen derartigen Wohnsitzwechsel gab es im Streitfall nicht, weil die Kläger weiterhin das im Jahr 2014 erworbene Grundstück selbst nutzen.
Die Finanzverwaltung nimmt bei einer Veräußerung des selbstgenutzten Grundstücks auch den dazugehörigen Grund und Boden aus, soweit es sich um die für die entsprechende Gebäudenutzung erforderlichen und üblichen Flächen handelt. Das FG hat offengelassen, ob es sich im Streitfall angesichts des dörflichen Charakters, der durch große Grundstücke geprägt ist, um eine übliche Grundstücksfläche handelte. Denn zum einen ist das Gericht an die Auffassung der Finanzverwaltung nicht gebunden. Zum anderen wurde die Selbstnutzung des übrigen Grundstücks im Umfang von ca. 2.800 qm beibehalten.
Quelle: Niedersächsisches FG, Urteil v. 20.7.2022 - 4 K 88/21, Revision beim BFH: IX R 14/22; NWB
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Behindertengerechter Umbau eines Gartens ist keine außergewöhnliche Belastung
Hintergrund: Zu den steuerlich absetzbaren außergewöhnlichen Belastungen gehören Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, und zwar in einem größeren Umfang als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Ein typisches Beispiel für außergewöhnliche Belastungen sind Krankheitskosten.
Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute. Die Ehefrau war schwerbehindert (Behinderungsgrad 70) und im Streitjahr 2016 auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Die Kläger wohnten in einem Einfamilienhaus, zu dem ein Garten mit einer Fläche von ca. 1.300 qm gehörte. Im Streitjahr ließen die Kläger den Weg vor ihrem Haus ausbauen und Hochbeete anlegen, damit die Ehefrau die Hochbeete von ihrem Rollstuhl aus erreichen konnte. Hierfür entstanden ihnen Kosten in Höhe von ca. 7.000 €, die die Kläger als außergewöhnliche Belastungen geltend machten. In dem Betrag waren Arbeitskosten von ca. 3.000 € enthalten. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen steuerlich nicht an. Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte im anschließenden Klageverfahren nur eine Steuerermäßigung für die Lohnkosten im Rahmen der haushaltsnahen Handwerkerleistungen.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) erkannte die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen nicht an:
Außergewöhnliche Belastungen sind Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen. Es muss sich also um Aufwendungen handeln, denen der Steuerpflichtige nicht ausweichen kann. Die Kosten müssen durch ein unausweichliches Ereignis begründet werden, nicht aber durch eine maßgeblich vom Willen des Steuerpflichtigen beeinflusste Situation.
Die Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau des Gartens sind nicht zwangsläufig entstanden, auch wenn sie eine Folge des Gesundheitszustands der Klägerin waren. Vielmehr waren die Kosten die Folge eines frei gewählten Freizeit- bzw. Konsumverhaltens.
Hinweise: Es blieb aber bei der Steuerermäßigung für die in den Aufwendungen enthaltenen Lohnkosten von ca. 3.000 €. Dies führte zu einer Reduzierung der Einkommensteuer um 20 %, d.h. um 600 €.
Die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen wäre hingegen zu bejahen gewesen, wenn von dem Garten eine konkrete Gesundheitsgefährdung ausgegangen und diese beseitigt worden wäre (z. B. Verseuchung des Bodens durch gesundheitsgefährdende Schadstoffe).
Das Urteil liegt auf der bisherigen Linie der Rechtsprechung des BFH: So hat der BFH die Kosten für den Kauf eines größeren Grundstücks zum Bau eines behindertengerechten Bungalows ebenso wenig als außergewöhnliche Belastungen anerkannt wie den behinderungsbedingten Umbau einer Motoryacht. Dem BFH zufolge unterscheidet der Gesetzgeber zwischen einer Einkommensverwendung, die zwangsläufig ist, und einer steuerlich unerheblichen Einkommensverwendung, ohne dass damit ein Werturteil verbunden ist.
Quelle: BFH, Urteil v. 26.10.2022 - VI R 25/20; NWB